Arbeiten wie im Silicon Valley

Urlauber recherchieren intensiv online, bevor sie eine Reise buchen. Sie besuchen dabei laut einer Studie des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag von TUI Deutschland und Google durchschnittlich 25 Webseiten, bevor sie buchen. Wer dabei mit validen und übersichtlichen Informationen, einem einfachen Buchungsprozess und gutem Service Punkten kann, gewinnt den Kunden. Die Technologie der HolidayCheck-Plattform, die seit Gründung des Portals im Jahr 1999 stetig mitgewachsen war, bot zuletzt nicht mehr die nötige Flexibilität, um die Kundenbedürfnisse optimal zu befriedigen. Daher wurde ein vollständiger Umbau der IT-Plattform in Angriff genommen.


Es war einmal: Ein großer Klotz

Eine Internet-Plattform besteht in der Regel aus drei Teilen, dem Front-End, dem Middle-Tier und dem Back-End. Das Front-End ist der Teil der Plattform, der nah am Benutzer ist, also beispielsweise die Benutzeroberfläche mit Ihren Eingabemasken. Die Middle-Tier bildet mit einer Reihe von Applikationen die Schnittstelle zwischen Front- und Back-End. Im Middle-Tier laufen bei HolidayCheck beispielsweise Funktionen zur Hotelbuchung, zum Finden von Hotels und Destinationen. Im Back-End werden die Daten für diese Funktionen gespeichert. Zusätzlich existiert bei HolidayCheck noch ein Back-Office. Dort befinden sich verwaltungstechnische Anwendungen, wie beispielsweise das sogenannte Master Data Management, in dem bei HolidayCheck die Stammdaten der Hotels gepflegt werden oder die Customer Service Applikation, die von den Reisefachleuten des HolidayCheck-Reisecenters genutzt wird. „Früher waren die diversen Systemschichten bei uns in einem großen Klotz verbaut. Das hatte zur Folge, dass wir bei der Weiterentwicklung der Seite sehr langsam waren, da nicht mehrere Teams unabhängig voneinander am Gesamtsystem arbeiten konnten“ erklärt Timo Salzsieder, COO bei HolidayCheck, verantwortlich für Produkt und Technologie des Bewertungs- und Buchungsportals.



Die Modularisierung der Plattform

„Wir haben daher damit begonnen die gesamte Plattform zu modularisieren, also sozusagen den großen Klotz in einzelne Scheiben zu schneiden, so dass an den verschiedenen Modulen immer parallel gearbeitet werden kann. Weiterhin haben wir die komplette Architektur ausgetauscht. Wir waren vorher eher mit einem traditionellen Technologie-Ansatz unterwegs. Jetzt arbeiten wir mit modernsten Technologien wie Java, Scala oder Node.js, was vor allem unsere Entwickler sehr freut.“, sagt Timo Salzsieder. Der Umbau begann mit der Modularisierung der Middle-Tier. Diese wurde in den vergangenen eineinhalb Jahren in diverse Services unterteilt, die derzeit für einen gewissen Prozentsatz der Seitenaufrufe im Einsatz sind. „Anfang des Jahres ist bei uns Hochsaison, viele Urlauber nutzen unsere Frühbucherangebote. Da möchte man möglichst wenig an der Seite verändern. Zum Ende des ersten Quartals 2016 wird die neue Technologie jedoch dann flächendeckend live gehen“, erklärt Timo Salzsieder. Mit der neuen modularen Service-Struktur, können die verschiedenen HolidayCheck-Teams nun parallel arbeiten und innerhalb von wenigen Minuten neue Funktionen auf der Seite live stellen und das mehrmals am Tag.



Einfachere Optimierung

Mit der durch die neue Technologie geschaffenen Flexibilität kann die Website auch besser optimiert werden. Dabei kommen sogenannte A/B-Tests zum Einsatz. Bei diesen Tests werden unterschiedlichen Nutzergruppen verschiedene Versionen der Website angezeigt und die Reaktionen darauf gemessen. „Wir setzen im Front-End eine neue Technologie ein, die es uns erlaubt sehr schnell Seitenelemente auszutauschen. Mal einen Button auf der Website von links nach rechts zu schieben oder einen Liveticker einzuschalten, um unsere Nutzer bei besonderen Vorkommnissen zu informieren, war in der Vergangenheit richtig aufwendig. Heute dauert das ein paar Minuten“, sagt Timo Salzsieder.



Die Teams

Beim Umbau der Plattform spielt jedoch nicht nur die Technologie eine entscheidende Rolle, sondern auch die reibungslose Zusammenarbeit der klugen Köpfe, die damit arbeiten. Die Entwickler der HolidayCheck-Plattform arbeiten in einzelnen Teams. Jedes Team besteht aus einem Scrum-Master, einem Product Owner, einem Engineering Manager, einem Interaction und einem Visual Designer sowie mehreren Entwicklern und einem sogenannten DevOps. Der Product Owner nimmt im Team die Rolle des Auftraggebers ein, er stellt sozusagen die fachlichen Anforderungen und kontrolliert die Umsetzung im Hinblick auf Funktionalität, Benutzbarkeit (Usability), Performance und Qualität. Der Engineering Manager entwickelt zusammen mit den Entwicklern technisch das Produkt, der Interaction Designer gestaltet die Schnittstelle zum Nutzer, der Visual Designer ist für die grafische Umsetzung zuständig und der DevOps entwickelt und ist gleichzeitig für den technischen Betrieb zuständig. Die Teams arbeiten nach der sogenannten Scrum-Methodik. Das bedeutet, dass das Team in zweiwöchigen Zyklen, auch Sprints genannt, entwickelt. Der Zyklus beginn mit einem sogenannten Grooming, eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Aufträge für das Team und endet mit einer sogenannten Retro, einer Validierung der Ergebnisse am Ende des Sprints. Der Scrum-Master moderiert dabei den Scrum-Prozess und schafft alle Voraussetzungen dafür, dass das Team ungestört arbeiten kann.
Bis vor kurzem waren die Mitglieder eines Teams noch über die Standorte Bottighofen in der Schweiz, Posen in Polen und München verteilt. Die Folge waren Kommunikationseinbußen. „Um die Teams effektiver zu machen, haben wir daher eine Reorganisation durchgeführt und sogenannte co-located Teams etabliert. Das bedeutet, dass sich ein komplettes Team am selben Standort befindet. Beispielsweise hatten wir in Polen bisher nur Engineering und Scrum-Master. Hier stellen wir gerade Designer und Product Owner ein, um dort ein vollständiges Team aufbauen zu können.“, sagt Timo Salzsieder. Weiterhin war in den früheren Teamstrukturen der Fachbereich Operations, also der Betrieb, nicht integriert. Vielmehr wurde eine Entwicklung nach Ihrer Fertigstellung an die Betriebsorganisation übergeben. Mit der Rolle der DevOps gibt es nun eine End-to-End-Verantwortung in den Teams. „Unsere Teamstrukturen sind nun Best Practice und wir folgen den gleichen Prozessen wie sie auch bei Google oder Facebook zum Einsatz kommen.“, sagt Timo Salzsieder.



Von Drachen und Kaffeetrinkern

Jedes der 15 Entwickler-Teams bei HolidayCheck, mit Mitarbeitern aus insgesamt 11 verschiedenen Nationen, hat ein konkretes Aufgabengebiet. So kümmert sich beispielsweise das 9-köpfige Team „Dragon" am Standort München um die Homepage, also die Startseite von holidaycheck.de.
Das „Coffee“-Team in Bottighofen am Bodensee arbeitet hingegen an der Optimierung des Buchungsprozesses. „Unsere Arbeit beginnt bei der Liste der Reiseangebote und betrifft alle E-Commerce-Anwendungen auf der Seite, wie beispielsweise die Warenkorbfunktion sowie die Eingabe der Adress- und Zahlungsdaten durch den Nutzer. Im vergangenen Jahr haben wir vor allem an einer übersichtlicheren Darstellung der Reiseangebote und an Zusatzfunktionen zum sogenannten Upselling auf bessere Zimmer- und Verpflegungskategorien gearbeitet, die den durchschnittlichen Warenkorb erhöhen“, erklärt Denise Köhler, Product Owner im Team Coffee.
Weitere Teams wie die Search Monkeys, Content Freaks, Los Nativos oder das All-Inclusive Team befassen sich mit den Suchfunktionen auf der Seite, dem Einsammeln von Bewertungen, optimierten Hoteldarstellungen, den Apps oder auch neuen Benutzerfunktionen. Die teilweisen schrägen Namen sind in einem internen Wettbewerb entstanden, mit dem Ergebnis, dass jede Gruppe nun eigene Kaffeetassen mit Teamname- und Logo sein eigen nennt.



Much more to come

Nach dem erfolgreichen Umbau der Web-Plattform wird im nächsten Jahr mit der Modularisierung des Back-Office begonnen. Hier sind 19 unterschiedliche Module geplant. „Der Umbau des Back-Offices ist eine komplexe, langfristige Aufgabe. Als eines der ersten Module werden wir im Laufe des Jahres mit der Customer Service Applikation anfangen“, sagt Timo Salzsieder. Neben der Modularisierung des Back-Offices haben die HolidayCheck-Entwickler für 2016 auch noch einige innovative Themen auf der Agenda, zum Beispiel den sogenannten Hotel-Fingerprint. Das ist eine Funktion, die dem Nutzer eine grafische Zusammenfassung aller zu einem Hotel abgegebenen Bewertungen zeigt. Dabei kommen modernste Technologien und Algorithmen aus dem Bereich der Sprachforschung zum Einsatz. „Mit unserer neuen Plattform können wir wieder viel stärker auf die Bedürfnisse unserer Nutzer eingehen. Die Seite ist jetzt ein lebendiger Organismus, der sich ständig weiterentwickelt. Unsere Nutzer werden daher in Zukunft viel öfter neue hilfreiche Funktionen sehen, die wir aber auch sofort wieder entfernen können, falls sie den Nutzern nicht gefallen sollten“, sagt Timo Salzsieder.